Donnerstag, 28. März 2013

Wie im Grossen so im Kleinen Teil III: Der Paragraph



Motivation - Reaktions - Einheiten
Wie genau ist eigentlich eine Szene aufgebaut?
Kann man sie in noch kleinere Abschnitte unterteilen?
Ja, man kann.
Eine Szene besteht ebenfalls aus einem Muster, das einer strengen inneren Logik folgt und zwar der Logik von „Motivation & Reaktion“.
Diese Einheiten nennt Dwight V. Swain in seinem Buch „Techniques of the selling writerMotivation – Reaction – units, und diese möchte ich euch hier vorstellen.
So eine Einheit sollte stets mit etwas beginnen, dass der Perspektivträger der jeweiligen Szene wahrnimmt (normalerweise die Hauptfigur), also die Beschreibung von etwas sein, dass die Figur sieht, hört, riecht, schmeckt oder fühlt (haptisch.) Was auch immer die Aufmerksamkeit der Figur erregt hat, du solltest es auf eine Art und Weise beschreiben, so dass dein Leser es genauso wahrnehmen kann, wie deine Figur.
Auf diesen Stimulus (MOTIVATION) folgt unweigerlich eine REAKTION.
Reationen sind im Gegensatz zu Motivationen (extern & objektiv) intern & subjektiv.

Und nu kommt`s: Die Reaktionen müssen immer in einer bestimmten chronologischen Reihenfolge geschehen, denn nur diese Reihenfolge entspricht der (psychologischen) Realität. Dabei sollten die Reaktionen deutlich voneinander getrennt sein, dass kein Zweifel besteht, welches Element Ursache und welches Wirkung ist.

a) Stimulus (Motivation)

1.     Gefühle (Nicht Gedanken!)

2.     Aktion (Reflex)

3.     Sprache



Es ist ok, einen oder zwei dieser drei Elemente auszulassen, aber du kannst nicht alle drei weglassen, denn dann hast du keine Reaktion. Wenn du ein Element weglassen willst, dann gibt es eine entscheidende Regel: Halte die chronologische Reihenfolge ein.

Sprich: Wenn es ein Gefühl gibt, muss es als erstes kommen. Wenn es ein Reflex ist, darf er niemals vor dem Gefühl kommen. Wenn es etwas Gesprochenes ist, muss es immer an letzter Stelle stehen.


Ein Beispiel:


Der Motor des schwarzen Wagens heulte auf und schoss mit einem Mal aus der Auffahrt. (a: Stimulus)


Romeo spürte das Adrenalin durch seinen Körper jagen. (1.Gefühl)


Er hechtete mit einem gewaltigen Satz vom Bürgersteig in die Hecke. (2.Aktion)


„Willst du mich umbringen!?“, rief er dem Wagen hinterher. (3. Sprache)

Bringe diese Sätze durcheinander und du hast dasselbe Geschehen, aber der Leser wird verwirrt sein. Er verliert die Orientierung, kann sich das Geschehen nicht mehr richtig vorstellen und nicht mit der Figur mitfiebern. Probiere es aus. 
Anfänger begehen oft den Fehler, dass sie die Elemente in verkehrter Reihenfolge anordnen, oder doppelte Reaktionen schreiben, also z.B. drei Gefühle, aber keine Aktion. Natürlich ist es in der Realität so, dass einen oft viele und sogar widersprüchliche Gefühle überschwemmen, dass man Übersprungshandlungen begeht, einem die Reflexe versagen oder man vor Aufregung losstottert. Für deine Fiktion ist es aber besser, dem Leser ein klares Bild mitzugeben, also eine einziges klares Gefühl und eine klare Reaktion. Versteht mich nicht falsch, nicht immer müssen alle drei Reaktionen kommen. Aber der unerfahrene Autor läuft Gefahr, wenn er etwas auslässt, dass der Leser die Reaktionen seiner Figur nicht mehr nachvollziehen kann, besonders wenn das Gefühl ausgelassen wurde.  
Wenn du eine ganz bestimmte Reaktion von deinem Hauptcharakter möchtest, wähle den richtigen Stimulus, der diese Reaktion hervorruft. Eine gute externe Motivation macht das Verhalten deiner Figur für den Leser völlig nachvollziehbar – und lässt sie das Geschehen miterleben, so als wären sie live dabei.
Andersherum kann ein falsch gewählter Stimulus überflüssig oder missverständlich sein. Er langweilt oder irritiert deine Leser. Im schlimmsten Fall wird er sogar zu einem falschen Hinweis, also bereitet den Leser auf etwas vor, dass dann nicht geschieht. Denn deine Leser nehmen bewusst oder unbewußt an, dass jeder Stimulus in deiner Geschichte mit einer bestimmten Absicht dort platziert wurde. Sie verzeihen keine überflüssigen oder falsch gesetzten Anreize und schon gar nicht inkonsequente Reaktionen.

Und nach einer Motivation – Reaktions –Einheit?

Nun, da ist Platz für ein wenig Nachdenken deiner Figur. Fürs Wunden lecken und Pläne schmieden. Bis ein neuer externer Stimulus kommt.

Kommt dir das bekannt vor? 

Ein Roman ist eine Aneinanderreihung nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung. 
Und während die komplette Geschichte ein logisches Ende haben muss, sollte auch die kleinste Einheit einen motivierten Anfang, Mittelteil und logischen Schluß haben, denn – wie im Großen so im Kleinen.





Montag, 4. März 2013

Wie im Großen so im Kleinen Teil II: Die Szene



"Ein Roman ist wie ein Kaleidoskop - bestehend aus immer wiederkehrenden Mustern."
Die Kapitel eines Romanes teilt man wiederum in kleinere Einheiten ein, in die sogenannten Szenen. Der Begriff "Szene" stammt ursprünglich aus dem Theater wo die Unterteilung einen Wechsel des Bühnenbildes oder der Akteure auf der Bühne im Script markierte.
Im Roman kann man das Ende und den Beginn einer Szene nicht immer ganz so deutlich markieren und es gibt unterschiedliche Definitionen, was eine Szene ausmacht und wo der Unterschied zu erzählerischen Passagen liegt.
Für uns ist das aber im Moment erst einmal nicht von Interesse, wir wollen uns eine Szene unter einem anderen Aspekt angucken, nämlich unter ihrer Struktur die ebenfalls einen Anfang, Mittelteil und Schluß hat.
Oder anders ausgedrückt:
Ein Ziel – einen Konflikt – gefolgt von einem Desaster, denn "wie im Großen so im Kleinen".


Während also deine Hauptfigur in jedes Kapitel mit einem Ziel hineingeht, dabei auf Hindernisse stößt und bei dem Versuch, sie zu überwinden, scheitert, ist das bei einer Szene ganz genau so.
Sagen wir, Romeo hat in diesem Kapitel vor, seiner Julia endlich seine Liebe zu gestehen, bevor diese mit dem Flugzeug nach Australien düst.
Das Kapitel beginnt also mit der ersten Szene, in der Romeo sich auf den Weg macht, seine Julia vor ihrem Haus abzufangen. Das ist das Ziel. Doch dabei stößt er auf Schwierigkeiten. Die Reifen an seinem schicken Moped sind von irgendwelchen Klappskallis durchstochen worden, er muss zum Bus rennen, kommt zu spät (und völlig verschwitzt und außer Atem) an Julias Haus an und sieht gerade noch, wie diese in ihrem neuen Cabrio mit offenem Verdeck davonbraust.
Romeo hat sie verpasst, sein Vorhaben ist gescheitert. Desaster.


Was nun?


Nun kommt etwas, das Dwight V. Swain in seinem Buch „Techniques of the selling writer“ als „Sequenz“ bezeichnet. Während eine Szene dem Muster Ziel-Konflikt-Desaster folgt, besteht eine Sequenz aus Reaktion-Dilemma-Entscheidung.
Reaktion zeigt deine Figur, wie sie das Desaster emotional verarbeitet.
Romeo blickt dem knallroten Cabrio von Julia hinterher und bleibt stocksteif stehen. Sein Herz setzt für einen Moment aus und er klappt den Mund auf, weil er ihr hinterher rufen will. Doch er bekommt kein Wort heraus. Nun, denkt er, ist alles verloren.
Denn auf die emotionale Reaktion folgt das Nachdenken. Der Verstand springt wieder an, und rasend schnell geht Romeo seine Möglichkeiten durch. Ohne sein Moped kann er es unmöglich schaffen, vor ihr am Flughafen zu sein. Aufgeben? Aber dann sieht er sie vielleicht nie wieder. Ihren Ex-Freund anrufen und ihn um ihre Telefonnummer bitten? Aber ihr Ex-Freund ist auch sein bester Freund und wenn er ihn um die Telefonnummer bittet, dann könnte das die Freundschaft kosten.
Beim Flughafen anrufen und behaupten, er hätte eine Bombe im Flieger nach Australien platziert?
Dafür wird er vermutlich verhaftet werden.
Romeo steckt in einem Dilemma, die Wahl, die er hat, ist eine schlechte Wahl, es scheint keinen guten Ausweg aus seiner Situation zu geben.
Aber etwas muss er machen.
Und so trifft er eine Entscheidung.
Welche Entscheidung dein Charakter auch trifft, lass es eine gute Entscheidung sein. Lass es eine Entscheidung sein, die dein Leser respektieren kann. Lass sie riskant sein, wahnsinnig, verrückt, mutig, romantisch, aber lass sie eine Chance haben zu funktionieren. Mach das und dein Leser wird umblättern und begierig weiterlesen, denn dein Charakter hat jetzt ein neues Ziel.

Und da trifft sich wieder der Kreis.
Neues Ziel, neuer Konflikt, erneutes Desaster (Szene). Gefolgt von einer Reaktion, erneutem Dilemma, und einer Entscheidung (Sequenz).

So reihen sich abwechselnd Szenen und Sequenzen aneinander, in einem immer wiederkehrenden Muster, wie Perlen an einer Schnur:

Ziel-Konflikt-Desaster-Reaktion-Dilemma-Entscheidung-Ziel-Konflikt-Desaster

Wie viel Raum die einzelnen Bausteine einnehmen, liegt an dir und deiner Geschichte. So wird in einem actionlastigen Abenteuerroman die Szene mehr Platz in Anspruch nehmen und die Sequenz eher kurz sein. Während die emotionale Reaktion auf ein Desaster bei dem toughen Actionhelden so knapp wie ein einziger Satz ausfällt ("Shit happens!"), wird diese in einem psychologischen Roman vielleicht mehrere Seiten füllen.

Und Deiner Einer hat es vielleicht schon gemerkt, aber die Kapitel eines Romanes folgen oft ebenfalls dem Schema aus

Ziel-Konflikt-Desaster
Reaktion-Dilemma-Entscheidung


Das Formulieren eines Zieles für eine Figur, der Versuch dieses zu erreichen und das Scheitern dabei, markiert oft den Inhalt eines ganzen Kapitels. Das darauf folgende Kapitel dann handelt davon, dass der emotional angeschlagene Held seine Wunden leckt, seine Möglichkeiten überdenkt und dann eine Entscheidung trifft, die ihn mit einem Ziel ins nächste Kapitel aufbrechen lässt.

Und wenn das Kaninchen dir nun sagt, dass diese Struktur von der großen Ebene des ganzen Romanes, über deren Kapitel und Szenen bis hin zu dessen kleinsten Einheit sich immer weiter wiederholt, wie bei einem Kaleidoskop, dann wird dir vielleicht ein bisschen schwindelig. So wie dir schwindelig wird, wenn du das Bild da oben betrachtest. Wenn das so ist, dann halt dich man lieber fest, denn das Kaninchen erzählt dir nun, dass sich dieses Muster auf der allerkleinsten Ebene ebenfalls finden lässt.
Und die allerkleinste Ebene eine Romanes ist? Richtig … ein Paragraph. Oder, anders ausgedrückt ein Satz.
Nicht überzeugt? Dann komme wieder, wenn es heißt

Und wer das Thema vertiefen will, dem empfiehlt Meiner Einer folgende Lektüre: