Dienstag, 8. Mai 2018

Was ist eigentlich Plot? Und wie plottet man einen Roman?


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Plot ist englisch und bedeutet Handlung. Wir meinen also die Handlung eines Romans, wenn wir vom Plot sprechen. Weil das englische Wort aber noch ein bisschen mehr bedeutet, hat es sich auch im deutschen Sprachgebrauch eingebürgert; Plotten bedeutet nämlich auch , einen Plan zu haben, zu konspirieren, sich etwas auszuhecken. Zum Beispiel plottet man einen Bankraub (they plot a bankrobbery). Das bedeutet, dass man nicht nur plant, wie man in das Bankgebäude hineinkommt, sondern auch, wie man den Alarm ausschaltet, den Tresor öffnet, das Fluchtauto positioniert, das Land verlässt und wie man das Geld hinterher unauffällig ausgibt, ohne geschnappt zu werden. Der Plot umfasst also den kompletten Coup, man durchdenkt jeden nötigen Schritt. So macht man es auch mit einem Roman, wenn man plottet: Man plant jeden einzelnen Schritt der Handlung.

Was ist eigentlich Handlung?

Man kennt das aus dem Schul-Unterricht: Wir erinnern uns, wie wir die Handlung eines Romans zusammenfassen sollten. Gar nicht so leicht. Was lässt man weg, was ist wichtig? Da haben wir dann so etwas in der Art geschrieben wie: "Und dann passierte dies ... und dann passierte das ..."
Das Ergebnis ist eine Aneinanderreihung von Ereignissen.
Die Handlung eines guten Romans sollte aber nicht bloß aus einer Aneinanderreihung von Ereignissen bestehen, sondern vielmehr sollten die Ereignisse einander beeinflussen, und eine logische Weiterentwicklung darstellen. Wir können die Handlung in unserem Schulaufsatz also etwas besser zusammenfassen mit: "Und WEIL dies geschah, passierte das ..."
Eine Handlung sollte also, als eine Reihe von Verkettungen von Ereignissen, die durch Ursache und Wirkung sich gegenseitig auslösen, aufgebaut sein.
Aber das ist noch immer nicht Plot.
Plot kann man am besten in einer Logline zusammenfassen. Diese besteht aus nicht mehr als 2 Zeilen und fasst den Kern der Handlung zusammen. Den Plot eines Romans kann man in dieser Formel zusammenfassen:


 
Eine Hauptfigur mit einem Ziel, das sie verfolgt, und alle Hürden und jeden Widerstand überwindet, bis sie im Showdown den Gegenspieler (der entweder das gleiche Ziel verfolgt oder das Gegenteil erreichen will) mit all ihren neu erlernten Fähigkeiten, Wissen und Können konfrontiert und entweder siegt oder besiegt wird. Dafür muss die Hauptfigur eine Wandlung durchmachen und ihre Wunde (ihren Fehler oder Trauma) überwinden und gestärkt oder gebrochen aus der Konfrontation hervorgehen. Alle Nebenfiguren beleuchten das Thema aus einer anderen Sichtweise und tragen so zur Lösung des Hauptkonfliktes bei.

Das ist Plot.
Wie wir sehen, ist alles mit allem verbunden; jedes Element erfüllt einen bestimmten Zweck, wie die Rädchen in einem Uhrwerk. Es ist also zu kurz gegriffen, von einer Aneinanderreihung von Ereignissen zu reden, wenn wir Handlung meinen.
Einen Roman zu plotten, bevor man anfängt, das erste Kapitel zu schreiben, hat viele Vorteile. Im Grunde baut man das gesamte Gerüst, bevor man anfängt, es mit Details auszuschmücken. Dadurch dass man weiß, wovon der Roman handeln soll, wie alles endet und welche Probleme die Hauptfigur auf dem Weg dorthin überwinden muss, kann man von Anfang an Vorshadowing betreiben, alle nötigen Figuren und Schauplätze einbauen und vor allem hat man bereits ein Gerüst, dass sich sehr einfach in ein Exposé verwandeln lässt, um sich bei Agenturen und Verlagen zu bewerben, bevor man die ganze Arbeit mit dem Schreiben hat!

Wie plotte ich einen Roman?

Am besten füllt man zunächst einmal die Logline aus (den Satz oben). Das ist unter Umständen gar nicht so einfach und kann schon viel Nachdenken bedeuten.
Wem das zu mechanisch ist, der kann auch versuchen, den Klappentext seines ungeschriebenen Buches zu verfassen. Klappentexte haben die schöne Eigenschaft, dass man Hauptfigur und Hauptkonflikt benennen muss, und es einen dazu zwingt, zunächst einmal darüber nachzudenken, was man eigentlich schreiben will, aber auch, dass man das Besondere, das, was einen selbst an der Idee begeistert, formulieren darf. In einem Klappentext nennt man nicht das Ende der Geschichte (denn man will dem Leser ja nicht zu viel verraten), daher ist es in Ordnung, wenn man zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau weiß, wie im Detail die Geschichte enden soll.
Das denkst du dir im nächsten Schritt aus.
Wenn du deine Logline hast, fängst du an, Ideen für Szenen zu sammeln. (Wie gesagt, es ist ok, wenn die Logline an dieser Stelle noch Lücken hat.) Schreibe zunächst einmal alles auf, was dir einfällt. Am besten benutzt du Index-Karten (damit du sie später in der Chronologie anordnen kannst). Sammele zunächst einmal alles, was dir einfällt. Vielleicht hast du eine Idee, wie zwei Charaktere sich das erste Mal begegnen, oder du weißt, du willst unbedingt eine Schwertkampfszene drin haben, oder es beginnt alles damit, dass die Hauptfigur einen Tatort betritt. Notiere jede Szene, zensiere dich nicht. Du kannst später noch Ideen wieder aussortieren. Aber hänge dich nicht zu lange daran auf, es genügen Stichworte (daher der kleine Platz auf den Index-Karten). Nebenhandlungen können auf anders farbigen Karten notiert werden.
Nun, wenn du alle Szenen hast, werden diese der Reihe nach angeordnet. Denn wir wollen die Szenen einer Geschichte ja in einer logischen Verkettung von Ereignissen aneinanderreihen. Jede Geschichte folgt einer Struktur, die bereits seit der Antike erprobt und genutzt werden. Damals teilte man ein Theaterstück in Akte ein, die jeweils ca. 15-20 Minuten lang waren. Nach jedem Akt gab es eine Pause, nicht, weil das Publikum nicht länger zuhören konnte, sondern um Umbauten auf der Bühne möglich zu machen. Damit das Publikum auch nach der Pause zurückkam (das war nicht selbstverständlich) schrieben die Autoren kleine Spannungsbögen in ihre Akte und endeten mit einem „Cliffhanger“: Wendepunkte, die der Geschichte eine neue Richtung gaben. An diese Erzählstruktur haben wir uns so sehr gewöhnt, dass man noch heute von einer Geschichte alle 15-20 Min (z.B. im Fernsehen oder Kino) einen spannenden Wendepunkt erwartet, sonst hat der Zuschauer das Gefühl, die Handlung komme nicht voran. Das Fernsehen benutzt solche Wendepunkte auch vor jeder Werbepause, damit diese nicht wegzappen, sondern wieder einschalten. Durch die häufigen Unterbrechungen werden die Abstände immer kürzer und Zuschauer erwarten häufig schon nach wenigen Minuten Wendepunkte.
Seit der Antike gibt es also die Einteilung in Akte, und es hat sich eine allgemeine 3-Akte-Struktur herausgebildet (es gibt auch 4-Akter und 5-Akter, aber das lassen wir für den Moment einmal weg.)
Die 3-Akte sind nichts anderes als Anfang, Mittelteil und Schluss. Innerhalb dieser 3 Akte gibt obligatorische Szenen (sog. Plotpoints oder auch Wendepunkte), die unbedingt drin sein müssen, und indem du nun deine gesammelten Szenen anordnest, bekommst du einen Überblick, wo es noch Lücken gibt, welche Plotpoints dir fehlen und wo du dir noch Gedanken machen musst.

Was also sind die nötigen Plotpoints in einer Geschichte? 

Es gibt verschiedene Theorien nach der Geschichten in 7, 8, 15 oder 22 Plotpoints aufgeteilt werden. Sie alle stimmen aber überein, und unterscheiden sich nur in der Detailliertheit. Ich persönlich benutze eine Einteilung in 19 Plotpoints. Deswegen möchte ich euch heute, die 15 Plotpoints nach Blake Snyder vorstellen — meiner Lieblingstheorie — ergänzt durch 4 weitere (optionale) Scriptdoktor - Plotpoints.

Blakes Snyders Beat Sheet (+ Scriptdoktor)


1)      Opening image (Einführung der Hauptfigur): Ein charakterisierender Schnappschuss aus dem Alltag der Hauptfigur, knapp bevor sich ihr Leben auf den Kopf stellt und sich alles ändert.
2)      Set up: Einführung aller weiteren wichtigen Figuren, Elemente und des Gefühls, dass etwas nicht stimmt und eine Änderung geschehen wird.
3)      Theme stated (Nennung des Themas): Die Wahrheit, Aussage oder Erfahrung, die die Hauptfigur durchlaufen muss, auch wenn sie sie an dieser Stelle noch nicht versteht oder gar verneint. Das Thema stellt eine moralische Frage/ Dilemma, die am Ende beantwortet werden muss.
4)      Catalyst / Inciting Incident (Auslöser):  etwas geschieht, dass das normale Leben der Hauptfigur auf den Kopf stellt; das Ereignis, dass den Hauptkonflikt auslöst; der Ruf ins Abenteuer. Der Antagonist tritt hier häufig in Erscheinung.
5)      Debate (Zögern): Die Hauptfigur zögert, das Abenteuer anzunehmen; Was steht auf dem Spiel? wird formuliert
6)      Break in Act II (Aufbruch in den II. Akt): Die Hauptfigur trifft die Entscheidung, den Ruf des Abenteuers anzunehmen, sich dem Problem zu stellen und ihr Ziel aktiv zu verfolgen.
7)      B-Story (Nebenhandlung): Der Konflikt einer Nebenfigur (die vielleicht bereits in 2)Set up vorgestellt wurde) wird eingeführt oder vertieft. Normalerweise  ergänzt die B-Story das  Hauptthema  oder  beleuchtet es von einer anderen Seite. Sidekicks, Buddys und Loveinterests, aber auch Mentoren und Feinde können hier auftreten. Auch wird das Thema hier häufig noch einmal diskutiert.
8)      Promise of the premise (Fun  and  Games):  Die Hauptfigur  in ihrer  neuen  Welt;  hier  wird  die  Prämisse erfüllt. Handelt es sich um einen Actionthriller, gibt es hier eine Verfolgungsjagd, bei einer Liebesgeschichte eine Liebesszene, in einer Komödie etwas zu lachen und in einem Krimi die Verfolgung von Spuren.
9)      Temporary Triumph (vorübergehender Triumpf): Bei der Verfolgung ihres Ziels erlebt die Hauptfigur entweder kurzzeitigen Erfolg oder einen Misserfolg. In jedem Fall verkompliziert sich das Problem und das Tempo und die Spannung steigt.
10)   Midpoint (Reversal): Der Midpoint stellt die exakte Mitte des Buches dar. Hier muss etwas geschehen, dass alles, was die Hauptfigur bisher erreicht oder verstanden hat, wieder in Frage stellt. Neue Informationen, falsche Fährten, Verrat, Geheimnisse und Lügen sorgen dafür, dass die Hauptfigur ihr Ziel nicht auf dem Weg erreichen kann, den sie bisher eingeschlagen hatte.
11)   Bad guys close in (Bösewichter schlagen zu): Der Antagonist oder seine Helfer treten auf den Plan und stellen dem Helden weitere Hürden in den Weg. Kommt es zum Kampf, verliert der Held.
12)   All is lost (Alles ist verloren): Für den Helden sieht es schlecht aus: Seine Pläne sind gescheitert, sein Ziel in unerreichbare Ferne gerückt, der Antagonist hat (scheinbar) gewonnen. An dieser Stelle tritt häufig der Tod auf (ein Mentor, Freund oder Verbündeter stirbt.)
13)   Dark night of the soul (Düsterster Moment): Der Held ist am Ende und an dieser Stelle tritt seine innere Wunde zutage (sein want/ need kämpfen gegeneinander), alle Hoffnung scheint verloren.
14)   Break in Act III (Aufbruch in den III. Akt): Eine neue Information, Eingebung oder die Hilfe eines Verbündeten (häufig durch die B-Story) schüren wieder Hoffnung. An dieser Stelle erkennt die Hauptfigur manchmal ihren inneren Konflikt (Need) und was sie braucht, um ihr Ziel zu erreichen. Sie trifft die Entscheidung, es ein letztes Mal zu versuchen und sich dem Antagonisten zu stellen.  Ab hier gibt es kein Zurück!
15)   Final obstacle (Final Obstacle): Manchmal gibt es noch eine letzte Hürde (einen Handlanger, eine Falle, oder ein Problem aus der B-Story) zu überwinden, bevor der Held auf den Antagonisten trifft.
16)   Showdown (Finale): Die Hauptfigur tritt in ihrer neuen, stärkeren, erleuchteten Version dem Antagonisten gegenüber und es kommt zur finalen Konfrontation. Der Held hat seine Lektion aus dem Thema gelernt und wendet all seine neuen Erkenntnisse, Fähigkeiten oder Waffen gegen den Antagonisten an und erreicht sein Ziel.
17)   Pay off theme (Die Moral von der Geschichte): Die Lehre, die die Hauptfigur gezogen hat, wird ausgesprochen.
18)   Resolution (Auflösung): Alle noch offenen Handlungsstränge werden gelöst und auch die B-Story zu einem Abschluss geführt.
19)   Final Image (Schlussbild): Der Held kehrt häufig zurück in seine alte Welt, aber er ist verändert. Spiegelung zum 1) opening image.
 
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Und jetzt kommst du. Nehme deine Index-Karten und fülle für jeden Plotpoint eine aus. Es ist wichtig zu verstehen, dass Plotpoints nicht gleichbedeutend mit Szene sind. Manche Plotpoints brauchen mehr als eine Szene, um ihre Wirkung zu erzielen, andere wiederum vielleicht nur einen einzigen Satz. Z.B. wird das Set up mehrere Szenen oder gar Kapitel einnehmen, während theme stated ein einziger Satz oder kurzer Dialog umfasst. Die Grafik verrät dir auch, dass der Anfang und das Ende einer Geschichte jeweils nur 25 % des Romans ausmachen, während die weite Mitte 50% umfasst. Das bedeutet, dass der größte Teil deiner Handlung in der Mitte des Romans geschieht, und dass du diesen gut füllen musst. Du kannst auf diese Weise auch gut überprüfen, ob dein Anfang z.B. zu lang ist, denn der große WENDEPUNKT I (Break in Act II) sollte auf der Seite mit 25 % des Inhalts geschehen.
Suche aus deinen bereits ausgefüllten Karten, ob diese auf einen der Plotpoints passen oder erweitere oder verändere sie. Spiele mit der Reihenfolge deiner Szenen, verschiebe sie und schaue, was passiert.
Das kann bei manchen Projekten einige Zeit in Anspruch nehmen; vor allem die wichtigen Wendepunkte (Break in Act I, Break in Act II und der Midpoint) sowie der Showdown bereiten einem häufig Probleme, denn es sind die wichtigste Bausteine. Es kann viel Zeit und viel Brainstorming in Anspruch nehmen, die Lösung für ein Plotproblem zu finden. Aber mit Hilfe der Indexkarten hat man einen guten Überblick, man kann ein Projekt in der Schublade lassen und immer mal wieder daran feilen. Wem echte Index-Karten zu aufwändig sind, weil er keinen Platz hat, diese an die Wand zu hängen oder auszubreiten, der kann auf Schreibprogramme wie Scrivener oder Papyrus zurückgreifen, die Index-Karten simulieren. 

Ist so ein Vorgehen nicht zu einschränkend?

Die Vorarbeit dient dazu, zu verhindern, sich in Sackgassen zu schreiben, oder später aufwändigeres Überarbeitungen vornehmen zu müssen. Aber nichts davon ist in Stein gemeißelt. Natürlich passiert es, dass man später beim Schreiben feststellt, dass etwas nicht funktioniert, oder dass man neue, bessere Ideen bekommt. Das ist in Ordnung, dann passt man sein Gerüst (seine Index-Karten) einfach an — und behält den Überblick.

Plotten heißt also: 

Eine Geschichte wird also um einen zentralen Konflikt herum konstruiert, der Hauptfigur mit ihrem Ziel und dem Problem, das sich ihr (in Form des Antagonisten oder der antagonistischen Kraft) entgegenstellt. Der Autor baut den zentralen Konflikt in einer Reihe von logisch miteinander verbundenen Ereignissen in einer Chronologie von Anfang, Mittelteil und Schluss auf, also dem Set up, dem steigenden Konflikt und dem Showdown. Die Storyline, die aus diesem zentralen Konflikt heraus erwächst, ist die Struktur einer Geschichte.

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