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Was ist ein Prolog, und was ein Epilog und wie setze ich ihn wirksam ein?
Brauche ich überhaupt einen Prolog oder ist dieser nicht
eher hinderlich, weil der (ungeduldige) Leser direkt zur Handlung kommen
möchte?
Und welche Arten von Prologen gibt es überhaupt?
Meiner Einer hat sich das mal angesehen und fasst im
Folgenden die verschiedenen Arten von Prologen und Epilogen für euch zusammen.
Zunächst einmal bedeutet Prolog so viel wie „Vorwort“(entsprechend
bezeichnet der Epilog das Nachwort). Ein Prolog ist also eine
Einleitung, Vorrede oder auch ein Vorwort für ein Drama oder einen Roman. Man
kennt das aus der Sach- und Fachliteratur, dort gibt es auf den ersten Seiten
sehr häufig ein Vorwort des Verfassers, der Zweck und Ziel seiner Ausführungen
darlegen will, also grob, worum es in dem Sachbuch geht, welche Themen
behandelt werden. Feste Regeln zu Form und Inhalt gelten dabei nicht. Im Drama dagegen
wird der Prolog auf andere Weise eingesetzt. Aristoteles definiert den Prolog formal als den „ganzen Teil der Tragödie vor dem Einzug des
Chors“; es werden Personen, Ort und Zeit der Handlung fixiert. Der Prolog
dient also auch hier manchmal, ähnlich wie im Sachbuch, der Erläuterung der
Intention des Stücks.
Beispiel aus Shakespeares
„Romeo und Julia“:
Auftritt Chor
CHOR
Seht zwei Familien
hier von gleichem Stand —
Verona sei der Ort
für unser Stück,
wo alter Hass setzt
neue Wut in Brand,
wo Bürgerkrieg ist
höchstes Bürgerglück.
Zwei Elternpaare,
Feinde voller Wut,
stoßen die Tochter
und den Sohn zur Welt,
doch Kinderliebe
stirbt in Kinderblut,
das ihren Eltern
ihren Krieg vergällt.
Wie solche Liebe
kommt und solcher Hass
so lange dauert, bis
die Liebe geht,
wenn die Kinder tot
sind: Das ist das,
was ihr auf unsrer
Bühne heute seht.
Wenn ihr zwei Stunden
zuseht unserm Spiel,
kann sein: Dann wisst
ihr mehr; kann sein: Nicht viel.
Hier ist interessant zu sehen, dass der Chor (häufig ein einzelner Mann gekleidet als Herold) den
Zuschauern eine Kurzzusammenfassung des Stückes gibt, wie ein Klappentext
oder Teaser. Er nennt nicht nur den Hauptkonflikt und ihre Akteure (zwei verfeindete Familien, dessen Kinder
sich ineinander verlieben), sondern nimmt sogar das Ende vorweg (die Kinder werden sterben.)
Lustig ist auch zu sehen, wie der Chor versucht, die
Zuschauer zum Bleiben zu überreden (Wenn
ihr zwei Stunden zuseht unserm Spiel), denn zu Shakespeares Zeiten war es
nicht ungewöhnlich, dass die Zuschauer mitten während der Vorstellung das
Theater verließen, wenn es ihnen nicht gefiel, und er gleichzeitig aber nicht
verspricht, dass sie unbedingt etwas dabei lernen (kann sein: Dann wisst ihr mehr; kann sein: Nicht viel.). Hier zeigt
sich ein leichtes Augenzwinkern des Meisters.
Ein Prolog kann also
eine von der eigentlichen Handlung losgelöste Einleitung, wie ein Vorwort sein.
Er kann aber auch eine eigenständige Szene sein, die dem
Stück vorangestellt ist, wie in Goethes
„Faust I“: dort geht der Teufel
(Mephistopheles) eine Wette mit Gott ein, dass er es schafft, Faust vom rechten
Weg abzuführen. Dies ist sowohl eine Vorwegnahme der Handlung als auch ein
Rahmen, denn nun weiß der Zuschauer mehr, als die Hauptfigur Faust, und was es
bedeutet, wenn Mephistopheles ihn besucht.
Ein Prolog ist also eine Einleitung, und schon früh haben
Autoren unterschiedliche Verwendungen, um durch kluge Vorwegnahmen den Leser
auf die Handlung vorzubereiten und den Spannungsbogen zu konstruieren. Im modernen
Unterhaltungsroman haben findige Autoren diese Technik längst übernommen und es
lohnt sich, sich einmal mit den verschiedenen Möglichkeiten auseinanderzusetzen.
Es gibt dabei vier Arten von möglichen Prologen:
1)
Auszug aus einer
Chronik, einer Legende, einem Zeitungsartikel, einer Prophezeiung ect. (Häufig
bei High Fantasy, aber auch bei Krimis/Thriller.)
2)
Eine Rahmenhandlung,
die dann in einem Epilog wieder geschlossen werden muss. ( Im Rückblick aus der
Sicht der Hauptfigur oder aus der Sicht einer ganz anderen Figur, die evtl.
nicht einmal Teil der Haupthandlung ist).
3)
Teaser: ein
Flashforward auf kommende Ereignisse, in Form einer Szene, die so später in der
Handlung wieder vorkommt.
4) Einstieg
durch eine Vorgeschichte in Form
einer Szene (häufig einer Actionszene), d.h. ein Stück Handlung, das vor der
eigentlichen Romangeschichte spielt (und nicht unbedingt den Hauptcharakter
enthält) oder eine Rückblende (auf
die Hintergrundgeschichte des Helden)
5)
Eine
Zusammenfassung der Ereignisse, die in den Vorgängerbänden geschehen sind
(bei einer Serie oder einem Mehrteiler), bzw. eine Vorwegnahme der kommenden Ereignisse durch einen Allwissenden
Erzähler oder einer Allwissenden Figur (wie des Chors im antiken Drama)
Sehen wir uns diese vier Arten von Prologen genauer an:
1.
Prolog in
Form eines Auszuges, der dem Leser zusätzliche Informationen mitgeben soll.
Dies kann z.B. bei Fantasyromanen eine Chronik des Landes sein, eine Prophezeiung,
ein Zitat oder eine Legende.
Der Herr der Ringe beginnt z.B. mit dem berühmten vorangestellten Gedicht:
… ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu
finden,
Ins Dunkel zu treiben, sie ewig zu binden
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn
Welchen Zweck erfüllt dieses Gedicht, was
macht es mit dem Leser?
Der Leser weiß nun, dass der Ring etwas Böses
ist, lange bevor der Zauberer Gandalf auftaucht und den Ring sehen will. Der
Leser weiß mehr, als die Hauptfigur (Frodo) und somit erhöht sich die Spannung.
(Der
Herr der Ringe hat zusätzlich noch ein tatsächliches Vorwort, in dem der
Autor etwas zur Entstehung und Absicht des Buches erzählt, aber das lassen wir
hier mal außen vor.)
Das Fantasyepos
„Der Drachenbeinthron“ von Tad Williams
beginnt mit einem Prolog, in dem uns der fiktive Morgenes Ercestres etwas über ein
geheimnissvolles Buch, das von einem wahnsinnigen Priester geschrieben wurde,
erzählt; und der Leser ahnt natürlich, dass dieses Buch wichtig für die
Handlung sein wird, während die Hauptfigur, der Küchenjunge Simon, nicht einmal
Ahnung von dessen Existenz hat.
Im Prolog des SF-Romans „Der Wüstenplanet“ von Frank Herbert erfahren wir etwas über den Herrscher der Planeten, den
Muad`dib, und dass dieser lange Jahre auf dem Wüstenplaneten gelebt hat, sowie
weitere Daten und Fakten. Solche Prologe sollen den Leser in die komplexen
Welten einführen und dem Leser einen Überblick verschaffen, damit er zu Beginn
der Handlung (also im 1. Kapitel) bereits die wichtigsten Eckdaten zur
Orientierung hat (das Jahr, in dem die Handlung spielt, evtl. vorangegangene
Kriege oder Herrschaftsformen, Namen der Herrschenden Rasse oder Einführung
wichtiger Kreaturen, Planeten, Technologien ect.) Diese Form der Einführung
kann manche Leser langweilen und wird bisweilen von ihnen übersprungen; in
jedem Fall sollte man zu viele geschichtliche Daten meiden und sich nur auf das
Wichtigste beschränken und alles andere nach und nach in die Handlung
einbringen.
In Krimis
und Thrillern klärt oft ein Zeitungsbericht über die (bereits geschehenen)
Verbrechen, die seit Wochen eine Stadt in Atem halten und im Liebesroman kann eine Einladung zu
einer besonderen Veranstaltung oder ein Wettbewerb der Auslöser und der Rahmen
für die Handlung sein, und in einem Prolog vorangestellt werden.
In
jedem dieser Fälle dient der Prolog der Einführung und Orientierung in die
Welt, baut Atmosphäre auf und gibt dem Leser Informationen an die Hand.
Manchmal enthalten Prologe Szenen, die
zeitlich nicht vor der Romanhandlung liegen, aber an einem anderen Ort
geschehen, die Figuren enthalten, die der Leser noch nicht kennt, und z.B. in
Form von Dialogen stattfinden, in denen eine folgenschwere Entscheidung oder
Abmachung getroffen wird. Z.B. beginnt „HarryPotter und der Halbblutprinz“ mit dem folgenschweren Unbrechbaren Schwur zwischen Snape und Narcissa Malfoy, bei dem
Harry Potter nicht anwesend ist und von dem er nichts weiß.
In jedem Fall erfüllt diese Art von Prolog einen
Zweck: Sie gibt dem Leser eine Information mit, so dass dieser mehr weiß als
die Hauptfigur (manchmal) oder mehr weiß, als die aktuelle Handlung preisgibt,
und erhöht somit die Spannung, denn der Leser ist nun ganz wild darauf,
herauszufinden, wie diese Szene in die Gesamthandlung hineinpasst und welche
Auswirkungen es auf die Hauptfigur hat. Es ist ein Werkzeug, das dem Leser
ermöglicht, Fäden in der Hand zu halten und diese später miteinander zu
verknüpfen. In Krimis oder Thrillern erfährt
man meist schon etwas über den Täter (wenn auch nicht immer gleich seine
Identität) und in Fantasyromanen erfährt
man häufig vom Auserwähltsein und Aufgabe des Helden und somit über das
Schicksal des Protagonisten.
Diese
Prologe sind klug ausgewählte Bestandteile des Spannungsbogens und können nicht
gestrichen oder übersprungen werden.
5. Prolog als eine
Zusammenfassung der Ereignisse, gibt es manchmal bei Büchern, die zu
einer Reihe oder Serie gehören, um den Leser davon in Kenntnis zu setzen, was in
den Vorgängerbänden geschehen ist (siehe auch die Artikel über das Schreiben von Serien). Oder der
Prolog enthält eine Vorwegnahme der
kommenden Ereignisse durch einen Allwissenden Erzähler oder einer
Allwissenden Figur, wie z.B. in der „Reihe betrüblicher Ereignisse“ bei denen
uns der Erzähler Lemony Snicket mitteilt: „Wenn
du gern Geschichten mit einem Happy End liest, solltest du lieber zu einem
anderen Buch greifen. In diesem gibt es kein Happy End, auch keinen glücklichen
Anfang und nur wenig Erfreuliches mittendrin (…) Es tut mir leid, das sagen zu
müssen, aber so war es nun einmal.“ Oder Prof H. Alcofrisbas, der Erzähler in „Hugo Cabret“ (der in der Handlung nicht wieder vorkommt): „Die Geschichte, die ich euch gleich erzählen
werde, spielt im Jahr 1931 unter den Dächern von Paris. Dort werdet ihr einem
Jungen mit dem Namen Hugo Cabret begegnen, der einmal, vor langer Zeit, eine geheimnisvolle
Zeichnung entdeckte, die sein Leben für immer veränderte.“ Diese Form der Vorwegnahmen erinnern an den Chor im antiken Drama (erinnert
euch an Romeo & Julia), er erfüllt dieselbe Funktion und erzielt damals wie
heute dieselbe Wirkung.
Dies soll nur ein Überblick sein, was
mit einem Prolog alles möglich ist, es gibt bestimmt noch viele weitere Beispiele
von Autoren, die Prologe clever eingesetzt haben, um den Leser zu manipulieren
und den Spannungsbogen zu erhöhen.
Der Epilog
Wenn der Prolog die Vorgeschichte eines Romans darstellt, so
ist der Epilog eine Nachgeschichte, die nach dem eigentlichen Schluss
angehängt wird.
Eigentlich sollten alle Handlungsstränge spätestens im
letzten Kapitel aufgelöst worden sein, und die Geschichte zu einem
befriedigenden Abschluss gefunden haben. Aber manchmal gibt es eben doch noch etwas zu
erzählen, manchmal braucht es ein wenig länger, um alle Nebenhandlungen zu Ende
zu führen und die ganze emotionale Wandlung der Hauptfigur zu vollenden. So spielen Epiloge häufig Monate oder gar
Jahre später und geben einen Ausblick, was in der Zukunft aus den Charakteren
geworden ist, oder es zeigt, wie der Held gar wieder zu neuen Ufern
aufbricht (und deutet somit einen Nachfolgeband an).
Im Epilog kann auch alles, was im letzten Kapitel
erreicht wurde, noch einmal in Frage gestellt werden, und das eigentliche Happy
End kann in ein offenes oder zumindest ambivalentes Ende umgewandelt werden,
z.B. taucht der totgeglaubte Gegenspieler doch wieder auf.
Wenn im Prolog eine Rahmenhandlung eröffnet wurde, so wird
natürlich zu dieser im Epilog zurückgekehrt und ein Abschluss gefunden.
Manchmal lässt man im Epilog auch nochmal eine Figur zu Wort
kommen, die über das Geschehene reflektiert und sich über das Thema äußert,
sozusagen die „Moral von der Geschicht`“.
Ob man einen Prolog
oder einen Epilog in seiner Geschichte haben will, ist Geschmackssache und
hängt von der Geschichte und dem Genre ab.
In jedem Fall sind es aber wirkungsvolle Instrumente, die,
wenn sie gut eingesetzt werden, den Spannungsbogen erhöhen oder der ganzen
Geschichte ihre Würze geben können.
Es soll zwar Leser (und angeblich auch Lektoren) geben, die
keine Prologe oder Epiloge mögen — letztendlich ist das aber Geschmackssache
und es gibt in der Literatur sehr viele Beispiele von gut gemachten und
wirkungsvollen Prologen und Epilogen.
Alles ist, wie immer, eine Frage der Umsetzung.
Und nun habt ihr ja ein gutes neues Werkzeug an der Hand, um
euch einmal an dieser Technik auszuprobieren.
Kennt ihr ein Buch, das einen Prolog enthält und dass ihr
euch ohne nicht vorstellen könnt?
Das Literaturkaninchen freut sich über tolle Beispiele in den Kommentaren!
Ich habe das auf den Kopf gestellt, jedoch keinen (griechischen) Begriff für 'Hauptteil' gefunden ... Prolog, ...log, Epilog. Aristoteles hat bestimmt kein deutsch gesprochen.
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