Das Gesetz der Serie Teil 2 |
Ist ein Mehrteiler anders aufgebaut als eine Serie? Und was
versteht man unter einem Sequel, Prequel oder einem Serial?
Es gibt keine allgemein gültigen Definitionen, aber um ein
Auge für den Aufbau und die verschiedenen Plot-Strukturen von Serien zu
entwickeln, zeige ich ein paar Unterschiede.
Trilogien
Als Trilogie bezeichnet man drei Bücher einer fortlaufenden
oder miteinander verbundenen Geschichte, die vom selben Autor stammt; seltener
auch von unterschiedlichen Autoren, die thematisch und inhaltlich drei
miteinander verbundene Geschichten verfassen.
Trilogien müssen in der richtigen Reihenfolge gelesen werden
und die einzelnen Bände haben nicht immer eine abgeschlossene Handlung. „Der
Herr der Ringe“ z.B. ist einfach nur ein sehr langes Buch, das aufgrund seines
Umfanges in drei Bänden herausgebracht wurde – gegen den Wunsch des Autors der
eine Gesamtausgabe bevorzugt hätte. Der 3. Band „Die Rückkehr des Königs“
schließt die Handlung ab.
Trilogien können aber auch aus einzelnen, in sich
geschlossenen Bänden bestehen, so z.B. die Jugendbuchtrilogie „Die Tribute von
Panem“, bei der jeder Band mit einem Showdown endet, aber weitere
Handlungsfäden offen lässt und das Schicksal der Figuren in den folgenden
Bänden weitergeführt werden kann. Bände mit abgeschlossenen Handlungen werden
von Verlagen (und Lesern) bevorzugt, da die Fortführung einer Serie von guten
Verkaufszahlen abhängt. Schon so manche Trilogie wurde nie vollendet, weil
Vorgängerbände sich nicht gut verkauften.
Seltener werden Werke zu einer Trilogie zusammengefasst, die
nur thematisch miteinander zu tun haben, aber weder Protagonisten noch Handlung
miteinander teilen, so z.B. die „New York Trilogie“ von Paul Auster, die nur
das Setting als gemeinsamen Nenner haben (nämlich New York), sowie ein
gemeinsames Thema (Besessenheit und Verfolgung).
Mehrteiler
Als Mehrteiler bezeichnet man alle Werke, die aus mehr als
nur einem Band bestehen, also Trilogien (3-Teiler), Tetralogien (4-Teiler),
Pentalogien (5-Teiler), Hexalogie (6-Teiler) usw., sowie fortlaufende Bände
ohne definitives Ende (bei dem die Anzahl der noch kommenden Bände nicht
feststeht). Der Unterschied zwischen einem Mehrteiler und einer Serie ist, dass
der Mehrteiler eine aufeinander aufbauende, fortlaufende Handlung aufweist,
während die Serie nur denselben Hauptcharakter gemeinsam hat, die in jedem Band
neue in sich abgeschlossene Abenteuer erlebt, wie z.B. bei Detektivserien.
Mehrteiler müssen in der richtigen Reihenfolge gelesen
werden, da die Handlung aufeinander aufbaut, wie z.B. bei Harry Potter. Es gibt aber auch Mehrteiler bei denen die Hauptfiguren
wechseln und das Augenmerk auf andere Aspekte wie z.B. das
Setting gelegtt wird. So gehören manche Bände der
„Scheibenwelt“-Romane zusammen, andere können einzeln gelesen werden.
Serien
Serien hingegen drehen sich um dieselbe Hauptfigur als
Helden oder eine Gruppe aus Helden, die in jedem Band ein neues Abenteuer
besteht oder einen Fall löst. Die einzelnen Abenteuer oder Fälle haben nichts
miteinander zu tun und selten wird auf frühere Fälle verwiesen oder vergangene
Abenteuer des Heldentrupps erwähnt. Ein typisches Beispiel einer klassischen
Serie wären die Detektivgeschichten von Sherlock Holmes oder Agatha Christies
Hercule Poirot. Diese Bände können in beliebiger Reihenfolge gelesen werden,
ohne dass der Leser der Handlung nicht mehr folgen könnte, in jedem Band gibt es einen abgeschlossenen Fall.
Moderne Serien allerdings haben Elemente des Mehrteilers
übernommen, und so ist es mittlerweile üblich, dass Serienhelden sich auf
frühere Abenteuer und vorhergehende Handlungen beziehen und es neben dem in
jedem Band zu lösenden Kriminalfall einen weiteren fortlaufenden
Handlungsstrang gibt, der sich über die gesamte Reihe zieht. So muss Harry Potter
in jedem Band einen Bösewicht besiegen, aber der eigentlichen Antagonisten Lord
V… (du-weißt-schon-wer) wird erst am Ende im letzten Band besiegt.
So gesehen gibt es nicht immer eine klare Trennlinie
zwischen Mehrteilern und Serien und im Sprachgebrauch werden diese häufig miteinander
vertauscht.
Prequel, Sequel
und Interquel
Ein Prequel ist
eine Geschichte, die zeitlich vor der ursprünglichen Handlung spielt. Ein
Beispiel dafür wäre C.S. Lewis „Das Wunder von Narnia“, das 5 Jahre
nach den anderen Bänden herauskam, aber inhaltlich noch vor den Ereignissen in
Band 1 „Der König von Narnia“ (engl. The Lion, the Witch and the Wardrobe)
spielt. Oder auch der Roman „Roter Drache“ der vor „Das Schweigen der Lämmer“ spielt. Häufig
erzählt ein Prequel die Vorgeschichte zu den Ereignissen.
Bei einem Prequel besteht die Schwierigkeit, die Spannung zu
erhalten, obwohl der Zuschauer bereits das zukünftige Schicksal der Figuren kennt. Daher
konzentrieren sich Prequel-Bände häufig auf die Vorgeschichte des Hauptcharakters
und wie es zu den dramatischen Konflikten in der Hauptgeschichte kommen konnte.
Ein Sequel wiederum
ist eine Fortführung einer Geschichte, die die Handlung nach den (bereits
abgeschlossenen) Ereignissen weiterführt. Dabei muss die Handlung nicht
unmittelbar anschließen, sondern braucht nur Bezug auf die Figuren und Ereignisse
zu nehmen. Homers Odyssee wird als Sequel zur Ilias bezeichnet, Thomas Harris
„Hannibal“ ist ein Sequel von „Das Schweigen der Lämmer“, „Durch den Spiegel“
ein Sequel von „Alice im Wunderland“ und „Im Zeichen der Vier“ ein Sequel zu
der zuvor erschienenen ersten Sherlock- Holmes- Geschichte „Eine Studie in
Scharlachrot“.
Ein Interquel oder
auch Midquel spielt zeitlich
zwischen den Bänden und füllt eine Lücke oder erklärt Ereignisse aus einer
anderen Sicht, die ursprünglich dem Leser nicht gegeben wurden, z.B. der Pate
III, das zeitlich zwischen der Pate I und der Pate II spielt oder „Enders Schatten“
von Orson Scott Card.
Spin-off
Ein Spin-off ist ein Ableger eines Werkes, bei dem häufig
beliebte Nebenfiguren zu Hauptfiguren in ihrer eigenen Serie werden oder das
Setting und die Prämisse mit einer neuen Generation fortgeführt wird . Z.B. ist
die Fernsehserie „Better call Saul“ ein Spin-off der erfolgreichen Serie
„Breaking Bad“ und „Private Practice“ ein Spin-Off von „Greys Anatomy“. Die
ursprüngliche Hauptfigur tritt nur in Cameo-Auftritten in Erscheinung oder es
wird nur auf sie verwiesen. Manchmal führen erfolgreiche Spin-Offs zu
weiteren Spin-Offs.
Serials
Serials sind Fortsetzungsromane, die in Magazinen oder
Zeitungen erschienen. Dabei sind die einzelnen Veröffentlichungen Teile eines
Gesamtwerkes, das nur in Einzelteilen abgedruckt wurde, nicht eine Fortführung
wie bei einem Mehrteiler.
Mitte des 19.Jhd. wurden viele Romane als Fortsetzungsroman
in Zeitschriften und Zeitungen herausgebracht, darunter auch einige
Meisterwerke der Weltliteratur wie Gustave Flauberts „Madame Bovary“,
Alexanders Dumas „Der Graf von Monte Christo“ und
„Anna Karenina“ von Leo Tolstoi, fast alle Romane von Fjodor Dostojewski, aber
auch eine Reihe an Detektivgeschichten, Sir Arthur Conan Doyles „Sherlock
Holmes“ und Maurice Leblancs „Arsene Lupin“. Das serielle Publizieren war ideal
für Texte mit kurzen Spannungsbögen und begünstigte Cliffhanger, damit die
Leser die nächste Ausgabe ebenfalls kaufen. Willkie Collins gilt mit seinen
Suspense- Geschichten als Meister der Form, seine „Frau in Weiß“ verrät immer
gerade so viel, um den Leser bis zur nächsten Ausgabe bei der Stange zu halten.
Die Herausgabe in serieller Form war so beliebt, dass
amerikanische Autoren begannen, die Strukturen der Serials in ihren kreativen
Prozess zu integrieren. Henry James zum Beispiel teilte seine Werke in mehrere
Parts von gleicher Länge auf. Die Leser konsumierten lange Romane häufig in
Teilen und mussten wochen-oder gar monatelang auf die Fortsetzungen warten, was
natürlich zu Spekulationen und Vorfreude auf die nächste Ausgabe führte und den
Autoren es ermöglichte, auf ihre Leserschaft zu reagieren. Als „Der
Raritätenladen“ erschien, warteten Fans am Hafen auf einfahrende Schiffe, um
der Crew die Frage zuzurufen: "Is little Nell dead?" Charles Dickens
änderte häufig seinen Plot oder seine Charaktere aufgrund von Leserreaktionen
und er baute aktuelles Tagesgeschehen in seine Geschichten ein.
Die Serials erreichten eine ganz neue Leserschaft, die sich
keine Romane leisten konnte, oder sogar Analphabeten waren, indem sie sich die
Geschichten für einen Halfpenny vorlesen ließen.
Viele Serials wurden später als Roman herausgebracht, aber
lukrativer war das serielle Schreiben für Magazine. Autoren wurden per Zeile
bezahlt, Charles Dickens erwirkte eine Bezahlung per Wort. Autoren und Verleger
zögerten das Ende der gut laufenden Geschichten so lange wie möglich hinaus.
Manche Autoren waren sehr produktiv – und schnell. Alexandre
Dumas schrieb zwölf bis vierzehn Stunden am Tag an verschiedenen seriellen
Romanen gleichzeitig. Nicht jeder konnte mit so einem hohen Tempo mithalten.
Wilkie Collins überzog stets seine Deadline und für Conan Doyle wurde die
Nachfrage nach immer mehr Sherlock Holmes Geschichten zur Bürde: Er verlangte
mehr Geld, um seinem Verleger den Appetit auf mehr Geschichten zu verderben und Holmes loszuwerden–
doch man war bereit ihm auch die höchsten Summen zu zahlen, so dass Conan Doyle
zum bestbezahltesten Autor seiner Zeit wurde.
Heutzutage sind Serials in Printmagazinen ausgestorben.
Aber durch das
Internet und das Aufkommen des Ebooks erlebt diese Form eine neue Beliebtheit.
Auf Plattformen für Internetveröffentlichung wie Fictionpress.com, Wattpad und
JukePop Serials erreichen manche beliebte serialisierte Geschichten eine
Leserzahl, die die von Bestsellern übertreffen und auch Fanfiction nimmt
häufig diese Form an.
Stephen Kings „The Green Mile“ ist ein Beispiel eines
erfolgreichen modernen Serials, sowie Andreas Eschbachs „Exponentialdrift“.
Serials und Serien sind wieder so beliebt wie zu viktorianischen
Zeiten.
Mehr zu Spannungsbögen und Cliffhangern in Serien gibt es in das Gesetz der Serie Teil 3: Spannungsbögen in Serien und Mehrteilern
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