Das Gesetz der Serie 6 |
Wer schon einmal ein Buch geschrieben hat,
der weiß, wie schwer es ist, sich an all die kleinen Details, die man am Anfang
des Buches eingeführt hat, zu erinnern, wenn man Wochen oder gar Monate später
die letzten Kapitel verfasst. (War die Nebenfigur blond oder brünett? Wie viele
Jahre ist der tragische Unfall her? War das Schlafzimmer auf der linken oder
rechten Seite des Flurs?) Wenn es schon schwer ist, bei einem einzelnen Roman
den Überblick zu behalten, wie mag es dann sein, wenn man eine ganze Serie
schreibt? Oder gar an mehrere Serien in verschiedenen Universen?
Die meisten von uns schreiben zunächst
erstmal drauflos, ohne zu wissen, wohin die Reise führen wird, wie viele
Kapitel es werden und ob es eine Fortsetzung geben wird. Am Anfang glaubt man,
alle Details im Kopf behalten zu können; schließlich ist man derjenige, der sie
erfindet! Man hat ein Bild der Nebenfigur am Kassenautomaten im Kopf, natürlich
weiß man noch, ob sie blonde Locken oder brünette Stoppelhaare hatte. Aber je
länger man fürs Schreiben braucht, je öfter man Pausen einlegt, oder wenn man gezwungen ist, das Projekt ersteinmal
beiseite zu legen, um sich einem anderen zu widmen, desto mehr vergisst man,
dass man diese Details überhaupt verfasst hat, und muss sie später selber
mühsam nachschlagen. Bei einem Einzelwerk mag das ja noch gehen – aber je mehr Bände
man einer Reihe zufügt, desto schwieriger wird die Suche.
Serienautoren legen oft eine Serienbibel
an, um den Überblick zu bewahren, und schnell auf alle Fakten zugreifen zu
können.
Was
gehört in eine Serienbibel?
Nun, alles, was man bereits etabliert hat.
Nun, alles, was man bereits etabliert hat.
- Charaktere: Aussehen, Familienverhältnisse, wichtige Ereignisse, Persönlichkeitsmerkmale, etc. Auch alle einzigartigen Macken,
Hobbys, etc. Nebenfiguren
sollten mit allen Details, die erwähnt wurden (Namen, Alter, Adressen, erstem Auftreten) notiert werden. Man
weiß nie, wann jemand wieder erscheinen wird.
- Welten / Planeten / Städte/ Klassenzimmer
/ Wohnungen: Aussehen, Lage, ihre Hintergrundgeschichte, einfach alle
wichtigen Details evtl. sogar mit Skizzen/ Karten/ Lageplänen.
- Magieregeln/ Gesetze/ Technikfunktionen: werden
besondere Fähigkeiten eingeführt, oder außerirdische Technik, dsytopische
Gesetze, oder einer Figur wird auch nur der Führerschein entzogen, so sollte
das besser notiert werden. Besonders wichtig in SF / Fantasy. Wer eine
kleine technische Erfindung nebenbei erwähnt, so könnte diese Auswirkungen auf
den ganzen Plot haben.
- Alle Hintergrundgeschichten: Stelle
sicher, dass Du alles noch weißt und notierst, wer wann wen wo ermordet/
geheiratet/ von der Uni geworfen/betrogen hat
- Timelines: Über welchen Zeitraum spannt sich die Handlung, wie viele Tage oder Wochen sind vergangen (auch wichtig, zu welchen Jahreszeiten die Szenen spielen)
- Timelines: Über welchen Zeitraum spannt sich die Handlung, wie viele Tage oder Wochen sind vergangen (auch wichtig, zu welchen Jahreszeiten die Szenen spielen)
- Alles, was sonst noch später wichtig
werden könnte.
In die Serienbibel kommen aber nicht all
die Details, die man sich im Vorwege ausgedacht hat. Vielleicht fertigt Deiner
Einer ja bereits Charakterbögen für seine Figuren an und denkt, er braucht daher keine Serienbibel.
Falsch!
In der Serienbibel wird dokumentiert,
welche Informationen dem Leser in welchem Buch bereits gegeben wurden. Nach
Möglichkeit sogar im originalen Wortlaut, also am einfachsten mit copy &
paste. Anstatt zu schreiben:
Harry Potter, 12 Jahre, schwarze Haare,
notiert man: „Harry hatte ein schmales
Gesicht, knubbelige Knie, schwarzes Haar und hellgrüne Augen. Er trug eine Brille
mit runden Gläsern, die mit viel Klebeband zusammengehalten wurden.“ Band 1, 1.
Kapitel.
Sobald ein neues Detail oder eine Figur
auftaucht, notiert man also, was man über diese verfasst hat. Im Laufe
der Zeit erhält man so eine kleine Liste:
Emma
- braune glatte lange Haare mit Pony, den
ihre Mutter ihr geschnitten hat, nachdem Emma in der Grundschule immer mit ihrem Zwillingsbruder verwechselt wurde. (Band 1, Kap 3)
- trägt Kapuzenpullover , den sie Daniel weggenommen hat. (Band 1, Kap 5)
- Isst gerne Süßkram (Band 1, Kap 8)
- Hatte nie ein Haustier (Band 2, Kap 7)
- Wohnt mit Eltern in Reihenhaus in Barmbek
(aber geht in Ottensen zur Schule, wo Marie wohnt, da dort die besseren Schulen
sind, der Vater hat dafür gesorgt.) (Band 1, Kap 3)
- Legt Facebook-Profil an aus Eifersucht
(Band 3, Kap 5)
Das hat den Vorteil, dass man sowohl die
Entwicklung einer Figur nachverfolgen kann, als auch die Informationspolitik in
einer Serie, also wann dem Leser kleine Happen wichtiger Informationen (z.B.
darüber wie die magische Welt funktioniert und wie Du-weißt-schon-wer an die
Macht kam) zugespielt werden.
Man legt so eine Serienbibel einfach in
Word an, oder wer es übersichtlicher mag in Excel.
Schreibt man mit mehreren Autoren an einer
Reihe, so kann man die Dateien online anlegen, z.B. in Word Online oder über eine *Dropbox, so dass jeder
jederzeit Zugriff darauf hat.
Manche mögen natürlich lieber
Papiernotizen, dann empfiehlt es sich, einen Ordner anzulegen, der in
verschiedene Reiter unterteilt werden kann und evtl. mit Farbcodes,
so kann man z.B. für jeden Band einer Serie eine eigene Farbe verwenden; Post-its hinzufügen oder Fotos einkleben.
Das alles klingt erstmal nach einem Haufen
Arbeit. Ist es auch. Aber auf lange Sicht erspart man sich viel Zeit und
Mühe. Wer eine Serie über ein Dutzend oder mehr Bände plant, der wird die
nächsten Jahre mit seinen Figuren und seiner Welt verbringen. Unmöglich alles
im Kopf zu behalten. Unmöglich auch nur im Kopf zu behalten, in welchem Kapitel
man etwas geschrieben hat. Eine Serienbibel kann einem den Arsch retten, denn
wer glaubt, was man sich als Autor nicht merken kann, das merkt sich auch kein
Leser, der irrt. J.K. Rowlings Fans sind sehr fleißig darin, auf Unregelmäßigkeiten in ihrem Werk hinzuweisen.
So verfassen sie ganze Wikis mit Einträgen wie diesen: „Manche Räumlichkeiten
in Hogwarts liegen in den Bänden an unterschiedlichen Orten: Im Band 1 ist das
Pokalzimmer im 3. Stockwerk (HP I/9), im Buch Harry Potter und der Feuerkelch
im 6. Stockwerk (HP IV/25). Der Zugang zum Schulleiterbüro liegt im 2.
Stockwerk ( HP IV/ 28); aber im 7. Stockwerk im Buch Harry Potter und der
Halbblutprinz (HP VI/10).“
Letztendlich ist eine Serienbibel genau
das: eine Wikia des eigenen Werks. Wer Glück hat, hat Fans, die diese für einen
verfassen ;)
Aber bevor Fans einen auf Unstimmigkeiten
aufmerksam machen, wollen wir Autoren das eigene Werk so sorgfältig wie
möglich abliefern, nicht wahr?
Am einfachsten und effektivsten ist es, die
Serienbibel während des Schreibens anzulegen. Besonders gut geht das in einem
Schreibprogramm wie *Scrivener, dass einem Verknüpfungen, Karteikarten und
Notizfunktionen erlaubt. Meiner Einer legt alle seine Projekte in Scrivener an, aber es gibt auch andere gute Computerprogramme für Autoren, die einem die Organisation erleichtern.
Aber für manchen mag der Gedanke an das
Anlegen einer Serienbibel noch während des Schreibprozesses hinderlich sein.
Das ist ok. Man kann genauso gut bei der Überarbeitung des ersten Entwurfs
damit anfangen. Für viele ist ja alles noch etwas schwammig beim ersten Entwurf
und Details können sich im Nachhinein ändern. Damit man diese nicht auch in der
Serienbibel ändern muss, kann man warten, bis man die Überarbeitung angeht. Ein
Tipp: Nie etwas komplett aus der Serienbibel löschen, sondern nur
durchstreichen! Neues mit Datum versehen. Man weiß nie, wann man doch wieder auf
diese alte Idee zurückgreifen will.
Schließlich kann man Änderungen vornehmen,
so lange das Buch noch nicht in Druck ist.
Ist es aber ersteinmal in den Händen der
Leser, muss man mit dem leben, was die Vorgängerbände enthalten und kann nicht
wieder zurück und das Schulleiterbüro in ein anderes Stockwerk versetzen - auch
nicht mit Magie. Ähem.
Wie organisiert Deiner Einer seine umfassenderen Projekte? Legt ihr so etwas wie eine Serienbibel an? Freue mich über Tipps und Erfahrungsberichte in den Kommentaren!