„Schreib über das, was du
kennst“, hat Meiner Einer nun schon in vielen Schreibratgebern
gelesen.
Und sich darüber gewundert.
Zunächst einmal erscheint das wie ein
guter Tipp. Denn nur über das, was ich wirklich kenne und erlebt
habe, die Orte, an denen ich gewesen bin, die Personen, die ich
kennengelernt habe und die Tragödien, die ich durchlebt habe, kann
ich aufrichtig, detailliert und emotional schreiben.
Autor wird hier also aufgefordert, über
sich selbst, seine eigenen Erlebnisse, Gedanken und Umgebung zu
schreiben und dabei sich selbst zu erforschen und seine
Beobachtungsgabe zu schulen (Innen wie Außen, sagt mein Freund
Buddah.)
Nun fragt sich Meiner Einer aber, was
es denn ist, das er kennt.
Möhrchen kenne ich, die kann ich gut
beschreiben, die sind lecker, meinen gemütlichen Kaninchenbau mit
der Bibliothek und Weiber.
Außerdem kenne ich mich in der
Fellpflege aus, da könnte ich einige Tipps geben.
Wie wäre es also mit einem Ratgeber
für Pelzträger: „Fussel, Plüsch & Filzknoten - 1000 Tipps
für mehr Flauschigkeit„ ?
Zugegeben, das hat Potential. Ich seh`
schon den Megaseller vor mir, das Buch wird alle Rekorde auf dem
Sachbuchmarkt brechen. Aber sowas von.
Ich werde reich werden, und das nur,
weil ich mich auf das besonnen habe, was ich kann und womit ich mich
auskenne.
Danke also, an diesen unbekannten Ratgeber-Verfasser.
Aber was ist, wenn ich kein
Sachbuchautor werden will?
Wenn ich (trotz der Millionen, die da
winken) keine Lust habe, ein Pelzbuch zu schreiben?
Wenn ich doch eigentlich lieber einen
Agenten-Spionage-Action-Thriller mit Zombie-Grusel-Schocker-Elementen
verfassen will, der die Weiber zum Kreischen bringt?
Leider sind das aber alles Dinge, von
denen ich keine Ahnung habe. Meine Bewerbung für das
Ausbildungstraining beim CIA wurde abgelehnt und in meinem
Freundeskreis ist nicht ein einziger Zombie, keiner einer nicht.
Heißt das dann, ich darf meinen Roman
nicht schreiben, weil ich all das nicht persönlich kenne?
Pah!
Ich habe genug
Action-Agenten-Spionage-Thriller geguckt, um mir was
zusammenzureimen, und obendrauf werde ich jetzt noch ein paar mehr
lesen und mir Notizen machen und Details klauen. So!
Außerdem lade ich demnächst mal einen
Zombie auf ein Bierchen ein, und befrag` ihn so zu seinen
Befindlichkeiten, was er heute gegessen hat und wie sein Leben als
Zombie ganz allgemein so ist.
Mit anderen Worten: Das, was ich nicht
kenne, lerne ich kennen.
(Manche Leute nennen das auch
„Recherche“.)
Und jetzt kommt`s: Während ich mich
also in die Materie, über die ich schreiben will, einarbeite und an
meiner Romanhandlung meines Demnächst- Bestsellers puzzele, lasse
ich hier und da etwas aus meinem eigenen Leben einfließen. Eine
Begegnung, eine Person, ein Ereignis.
Ich mache meinen Protagonisten zum
Pelzhändler.
Ich lasse ihn in vielen Szenen sich der
Fellpflege widmen und streue auch gleich ein paar Tips für den
geneigten Leser ein. (Schwefel und Talkum im Sandbad läßt
Chinchillafell schön glänzen.)
Der Antagonist knabbert Möhrchen und
eine Liebesgeschichte kommt auch dazu, denn schließlich kenne ich
mich ja aus mit den Weibern.
Mit anderen Worten: Das Genie, das ich
bin, schreibt über das, was er kennt (über sich) und über das, was
er schreiben möchte. Er recherchiert, wo er Wissenslücken hat und
füllt den Rest mit Phantasie.
Jawohl.
Phantasie hat der Herr Autor nämlich
auch.
Und bei meiner Sauftour mit dem Zombie
ist der Herr Autor nebenbei an ganz viele interessante neue Orte
gekommen und hat Dinge gesehen und erlebt, die seine Phantasie
beflügelt haben. Aber sowas von.
Daher sage ich euch:
Schreibt ruhig über das, was ihr
kennt, aber bitte lernt auch was Neues kennen.
Kommt mal raus aus eurem Kaninchenbau und stürzt euch ins Abenteuer.
Schlagt eine Wunde und empfangt eine.
Denn: „Man muß verwundet und
verstört sein, damit einem die wirklich guten, röntgenstrahlengleich
durchdringenden Worte einfallen.“
Aldous Huxley – Schöne neue Welt
Aldous Huxley – Schöne neue Welt
In diesem Sinne eine schöne neue Woche wünscht euch der Sedamens.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen